Gedenken an Adolf Kurtz
Zum Gedenken an Adolf Kurtz (1891 – 1975)
Mutiges Bekennen und Widerstehen in schwerer Zeit
Vor 130 Jahren, am 11. Juni 1874, wurde die Zwölf-Apostel-Kirche eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben. Die Kirchengemeinde Zwölf Apostel ist älter: Sie wurde 1863 errichtet.
Anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Gemeinde erschien 1988 die von Pfarrer Peter Klemm herausgegebene Festschrift "Wahrnehmungen", die vornehmlich dem Geschehen an Zwölf Apostel in der Zeit des Nationalsozialismus nachgeht. "Wahrnehmungen" können zu hoffentlich aufschlussreichen "Annäherungen" führen, aus denen Konsequenzen erwachsen.
Die Erforschung des Kirchenkampfes ist in den letzten Jahren so weit fortgeschritten, dass sie selbst Gegenstand der Forschung geworden ist. Es ist in diesem Rahmen unmöglich, die Geschichte des Kirchenkampfes bis 1945 genauer zu verfolgen. Dies soll jedoch im Rahmen unserer Festwoche im Juni geschehen, um einer breiteren Öffentlichkeit solche "Annäherungen" zu ermöglichen, insbesondere an Pfarrer Adolf Kurtz (16.8.1891 – 25.9.1975): Geboren wurde er in der Oranienburger Vorstadt; Stationen auf seinem Weg waren das Friedrichsgymnasium, die Berliner Universität und die Hilfspredigerzeit, bevor er 1922 nach Zwölf Apostel berufen wurde und hier bis 1948 Pfarrer war.
Bekennende Kirche
Schon vor 1933 ist Adolf Kurtz durch seine sozialen Bemühungen hervorgetreten. Im Berlin der Inflationszeit begründete er Notküchen. Von 1933 an aktiv in der Bekennenden Kirche, war er Verhaftungen und Hausdurchsuchungen ausgesetzt. Er wurde Leiter der "Aktion und Organisation der Berliner Bekennenden Kirche". Kurtz hatte eine Hilfsstelle für sogenannte "Nichtarier" im Pfarrhaus eingerichtet (Vorläufer "Büro Grüber") und war maßgeblich an der Errichtung einer Schule für "nichtarische" Kinder beteiligt (Oranienburger Straße). Von 1935 an hielt er ständig Kontakt mit Widerstandsgruppen und mit ausländischen kirchlichen Persönlichkeiten aus der Ökumene. Während der Olympiade 1936 organisierte er Bekenntnisversammlungen mit Rednern aus dem Ausland.
Er war auch an der Denkschrift der Vorläufigen Kirchenleitung der Bekennenden Kirche beteiligt, mit der bei Hitler gegen Rechtsbrüche, Misshandlungen in den Konzentrationslagern und die Judenverfolgung protestiert wurde. Als Heinrich Grüber und andere ins Konzentrationslager eingeliefert wurden, setzte Kurtz die Arbeit des "Büros Grüber" fort und hat vielen Menschen durch die ermöglichte Auswanderung das Leben gerettet. Darüber hinaus galt seine Tatkraft der Pflege der ökumenischen Beziehungen der Bekennenden Kirche.
Im Dienst der Versöhnung
Nach dem Krieg vertiefte Kurtz seine Verbindung zur englischen Kirche. Bereits 1939 hatte er bei einem Englandbesuch für die vielen deutschen Flüchtlinge in Oxford eine evangelische Gemeinde ins Leben gerufen. Eine Einladung der englischen Militärregierung 1947, die deutschen Kriegsgefangenen in England zu besuchen, bewirkte 1948 seine Übersiedlung nach Oxford als Pfarrer der deutschen Gemeinde, von der aus Tochtergemeinden gegründet wurden, eine davon in Coventry. So war Kurtz an dem Versöhnungswerk von Coventry seit 1950 bis zu seiner Emeritierung 1962 beteiligt.
Adolf Kurtz blieb in England und starb im 85. Lebensjahr am 25. September 1975 in Wembley Park, seinem Alterssitz seit 1962. Begraben ist er auf dem Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof in der Kolonnenstraße.
Ein Berliner Pfarrer, zum Domherrn des Stiftes Brandenburg/Havel ernannt, in der Zeit des Nationalsozialismus mit schweren und oft genug lebensgefährlichen Entscheidungen, ein Leben im Dienst der Verfolgten und Entrechteten und schließlich im Dienst der Völkerversöhnung – dafür steht der Name Adolf Kurtz, den unsere Kirche nicht vergessen sollte.
Adolf Kurtz war verheiratet mit Eva, geb. Borchardt, Tochter des Professors Dr. Moritz Borchardt, eines Chirurgen jüdischen Glaubens. Kundige wissen, was das in der NS-Zeit bedeutete. Mit 93 Jahren ist sie im Juni 2001 gestorben. Ihre Urne haben wir an der Seite ihres Mannes bestattet.
Kirche und Nationalsozialismus
Gedenkveranstaltungen haben ihren Sinn darin, dass Menschen sich an etwas erinnern lassen. Erinnern bedeutet im Wortsinn, etwas Vergangenes in sich hinein nehmen, von außen nach innen holen.
In uns entsteht Erkenntnis, wenn wir das Erinnerte hin- und herwenden, in uns bewegen und bearbeiten. Diese Erinnerungsarbeit gehört zum Menschsein, so unangenehm, so beschämend es für den Einzelnen und jede Gemeinschaft zunächst auch sein mag. Unangenehm ist es, wenn die Erinnerung eine Korrektur festgefügter und liebgewordener Vorstellungen nötig macht.
Das Wissen über die Rolle der Kirche während der Zeit des Nationalsozialismus ist bei vielen Menschen, auch bei sehr aktiven Gemeindegliedern, außerordentlich gering. Mehr als der Ausdruck "Bekennende Kirche" ist oft nicht bekannt. Nicht selten verbindet sich dies mit einer diffusen Vorstellung, dass "die evangelische Kirche" im Widerstand zum Hitler-Regime stand – gar mit "den Männern des 20. Juli" der Widerstand gegen Hitler war. Vor diesem Hintergrund wird dann das Erstaunen, ja Erschrecken darüber desto größer, wie sich die evangelische Kirche in ihren vielen Facetten 1933 und in den Folgejahren wirklich verhalten hat und wie begrenzt selbst das Widerstehen der radikalen Teile der Bekennenden Kirche war bzw. sein musste. Beschämend ist die Entdeckung, dass – beispielsweise – kirchlicher Widerstand gegen Hitlers grausame Diktatur die Sache nur sehr weniger Christen gewesen ist. Das genaue Gedenken hat aber nicht nur Unangenehmes oder Beschämendes. Es hat auch eine große Hoffnung in sich. Erinnerung hat erlösende Kraft. Sie vermag vom Wege des Todes auf den Weg des Lebens zu helfen.
Das Vergessen und Verdrängen tötet die Opfer noch einmal. Das Erinnern setzt Kräfte frei, Irrwege zu begreifen und Schuld zu erkennen, die ohne solche Erkenntnis als unerkannte Schuld ihr heimliches Unwesen treibt und Böses zwanghaft immer wiederholt. Nur erkannte Schuld kann bekannt – und vergeben – werden. Genaues Erinnern an Versagen und Unglauben der Kirche auf dem Weg ins Hitlerreich und während jener Zeit ist nötig und notwendig, zugleich aber auch dankbare Erinnerung an die treuen Zeugen der Barmherzigkeit Jesu Christi während des Dritten Reiches – dafür steht Adolf Kurtz.
Bleibende Verpflichtung
Diese Erinnerung gilt nicht nur für jeden Einzelnen, nicht für jede einzelne Generation in Kirche und Gesellschaft. In der Kraft der Erinnerung werden die Generationen zusammengebracht zu der einen Kirche mit ihrem Ungehorsam und ihrer Glaubenstreue. Die Erinnerung macht es möglich, die Schuld einer vergangenen Generation zu erkennen, aber auch die Treue einer vergangenen Generation, um selbst treuer zu werden. Die damalige kirchliche Situation ist heute eine unbekannte, fremde Welt ebenso wie Verlauf und Begrenzung des Kirchenkampfes – ein Geschichtsbewusstsein ist kaum vorhanden.
Andererseits ermöglicht das Nachvollziehen der Erfahrungen von Christen in der NS-Zeit heute einen Lernprozess wie an anderen Fragen selten möglich, da wenige sich der Betroffenheit über die Vorgänge im Dritten Reich entziehen und die Frage nach der politischen Verantwortung von Kirche unausweichlich und die Frage brennend wird: Wie können wir verhindern, dass wir wieder in diesen Ausmaß schuldig werden? Wie können wir verhindern, dass unsere Kinder und Enkel uns ebenso erschrocken fragen: Wie konnte das von Christen zugelassen werden? Sind wir heute in den Gemeinden vor der Vergötzung anderer Mächte oder Herren gefeit? Was heißt heute Bekennen und Verleugnen?
Wir haben die Lektion der Bekennenden Kirche noch nicht gelernt. Es ist noch keineswegs erledigte Aufgabe, die Lehren aus dem Nationalsozialismus, dem Kirchenkampf und nicht zuletzt der Begrenzung des Kampfes der Bekennenden Kirche zu ziehen – im Blick auf die heutigen Herausforderungen, vor denen die Menschen und darin die Christenheit stehen.
Heinz-Hermann Wittrowsky, in "Zwölf Apostel" Nr. 9
Neubeginn und Versöhnung zwischen den Völkern
Unmittelbar nach Kriegsende 1945 begann die Wiederherstellung der stark beschädigten Zwölf-Apostel-Kirche und des Pfarrhauses. Beide hatten bei Bombenangriffen schwer gelitten und waren durch den Einsatz der Familie des Kirchdieners Jaeck und der Pfarrfamilie Kurtz gerettet worden. Das Pfarrhaus hatte dreimal lichterloh gebrannt. Kirchturm, Kirchdach und Sakristei waren noch unter direkten Beschuss geraten, Türen und Fenster zerstört, Heizung und Orgel außer Funktion.
Bottles, Barth und Bach
Zunächst wurde ein Kirchennotdach und ein Schutzdach für das Pfarrhaus errichtet. In die Fensteröffnungen mauerte man leere Gin-Flaschen, die von in der Gemeinde wohnenden Angehörigen der Spirituosenfabrik Gilka gespendet wurden. Diese "Flaschenfenster" sind zum Teil noch erhalten. Durch Berichte englischer und amerikanischer Korrespondenten wurden diese in der ganzen angelsächsischen Welt bekannt. Die Londoner "Picture Post" berichtete von den "Gin-bottle-windows" und dem "Gin-bottle-Pastor".
1947 stellte Adolf Kurtz den Berliner Philharmonikern die Zwölf-Apostel-Kirche für Schallplatten-Aufnahmen der Londoner Electrola-Gesellschaft ("His master’s voice" ) zur Verfügung. Dirigenten waren Wilhelm Furtwängler, Sergiu Celibidache und John Bitter, New York.
Am 18. Juli 1946 hielt Karl Barth in der Zwölf-Apostel-Kirche den Vortrag "Christengemeinde und Bürgergemeinde". Der erste große Gottesdienst, den Martin Niemöller nach seiner Befreiung aus dem KZ in Berlin feierte, fand in Zwölf Apostel statt. Die Zwölf-Apostel-Kirche stellte Bischof Dibelius am 17. November 1946 in einem feierlichen Gottesdienst wieder in Dienst. Hier führte am Karfreitag 1948 Professor Schumann, Leiter der Berliner Singakademie, zum ersten Mal nach Kriegsende wieder die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach auf.
Ökumenisches Zentrum Zwölf Apostel
Schon vor dem Krieg war die Zwölf-Apostel-Gemeinde ein ökumenisches Zentrum geworden. Adolf Kurtz hatte enge Kontakte zu den Pfarrern der schwedischen, dänischen und amerikanischen Gemeinden in Berlin. Während des Krieges war Kurtz die schwierige Aufgabe zugefallen, die Kontakte zur Ökumene aufrecht zu erhalten. Er tat dies über Freunde in der amerikanischen und schwedischen Botschaft. So riss die Verbindung nie ab, und nach Ende des Krieges kamen sie nach Zwölf Apostel: aus England die Bischöfe von Chichester und Sheffield, der Generalsekretär der Methodisten, Laura Livingstone für Wohlfahrtsorganisationen, Mary Booth für die Heilsarmee, der Dekan des St. John’s College in Oxford, aus Frankreich der Präsident des französischen Kirchenbundes, Marc Boegner, aus Dänemark der Bischof von Kopenhagen, aus Schweden Erzbischof Eidem, Upsala, und Pfarrer Birger Forel. Die russisch-orthodoxe Gemeinde feierte zweimal Ostern in Zwölf Apostel, die schwedische Gemeinde wurde hier für drei Jahre bis zur Errichtung ihrer eigenen Notkirche beherbergt, ebenso die ungarisch-reformierte Flüchtlingsgemeinde.
Ruf nach England
Auch aus Enttäuschung darüber, das Bischof Dibelius beim Wiederaufbau der Kirche in Berlin-Brandenburg einen restaurativen Kurs steuerte, ging Kurtz Ende des Jahres 1948 als Pfarrer der deutschen Gemeinde nach Oxford. Er war an dem Versöhnungswerk von Coventry seit 1950 maßgeblich beteiligt.
Bereits 1947 wurde Kurtz von der Britischen Militärregierung in Berlin eingeladen, die deutschen Kriegsgefangenenlager in Großbritannien zu besuchen. Während dieser
Besuchsreise stieß er auch bei seinen englischen Freunden immer wieder auf den neuralgischen Punkt "Coventry". Die Zerstörung Coventrys hatte im britischen Bewusstsein eine fast unheilbare Wunde hinterlassen, auch wegen der zynischen und brutalen Bemerkung Hitlers in einer großen Rundfunkrede, er werde nun alle englischen Städte "coventrieren". Damals schon war Kurtz entschlossen, etwas zur Heilung dieser Wunde zu tun.
Seelsorge und Zeichen der Versöhnung
Im Herbst 1948 übernahm Kurtz die im Jahre 1939 auf seine Initiative von seinem Berliner Amtsbruder Pastor Kramm gegründete Flüchtlingsgemeinde in Oxford. Kurtz war bereits 1939 in England, um sich um die vielen Emigranten zu bemühen; auf seinen Rat entstand dann in Oxford die deutsche Gemeinde, die in der Universitätskirche St. Mary the Virgin auch während des Krieges ihre Gottesdienste in deutscher Sprache halten konnte.
Im Frühjahr 1949 erhielt Kurtz eine Einladung des Provost (Propst) von Coventry, in der Unity Chapel der zerstörten Kathedrale einen Gottesdienst zu halten. Provost Howard und Domherr Kurtz beteten zunächst vor dem im Hochaltarraum aus zwei von Feuer angefressenen Balken errichteten Kreuz. Am 14. November 1950 nahm Domherr Kurtz an dem Gedächtnisgottesdienst zum 10. Jahrestag der Zerstörung Coventrys in der Ruine der Kathedrale teil. Er überbrachte "die Grüße aller Kinder Gottes des europäischen Kontinents, besonders aus Deutschland und Berlin".
Anlässlich eines Besuchs in Bonn im Mai 1951 besprach Kurtz mit alten Freunden aus dem Kirchenkampf, insbesondere mit Hermann Ehlers – während des Kirchenkampfs juristischer Berater der Berliner Kirchenleitung und von 1950 bis 1954 Präsident des Deutschen Bundestages – die Angelegenheit "Coventry". Mit ihm und Bundespräsident Theodor Heuss, mit dem Kurtz seit der Zeit des Kirchenkampfes ebenfalls eng verbunden war, wurde verabredet, dem Domkapitel von Coventry ein Fenster für die Unity Chapel der neuen Kathedrale zu stiften. Kurtz überbrachte unmittelbar nach seiner Rückkehr Provost Howard das Fensterangebot, aber erst am Jahresende wurde es der Weltöffentlichkeit mitgeteilt. Das internationale Echo, besonders in den angelsächsischen Ländern, war überraschend groß und freundlich.
Am 31. Januar 1954 fand ein Fest- und Fürbittgottesdienst zum 70. Geburtstag des deutschen Bundespräsidenten in der Kathedrale statt. Kurtz hielt die Festpredigt. An der feierlichen Grundsteinlegung für die neue Kathedrale am 23. März 1955, vollzogen von Königin Elisabeth II., nahmen Kurtz und Vertreter der Spender aus Deutschland teil.
Theodor Heuss überreichte anlässlich seines Staatsbesuchs in England dem Provost von Coventry am 21. Oktober 1958 die Spende für die Fenster der neuen Kathedrale. Am 31. Januar 1959 fand unter dem Leitwort "Einheit in Christus" zur Feier des 75. Geburtstags des Bundespräsidenten ein zweisprachiger Festgottesdienst in der Chapel of the Cross in der neuen Kathedrale statt. Die Predigten hielten der Propst und Domherr Kurtz.
Ehrung
Als der deutsche Botschafter in London, von Herwarth, Adolf Kurtz 1960 im Auftrag des Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse überreichte, geschah dies für die Verdienste im Kirchenkampf, für die "Nichtarierhilfe", für die Aufbauarbeit in England und für das Versöhnungswerk in Coventry. "Sie haben nicht nur geredet, Sie haben auch etwas getan", begann der Botschafter seine Ansprache. "Ihnen ist es zu danken, dass das Versöhnungswerk zwischen der englischen und der deutschen Nation Wirklichkeit wurde" – ein historisches Wort.
Heinz-Hermann Wittrowsky, in "Zwölf Apostel" Nr. 10
Zum Gedenken an Adolf Kurtz (1891 – 1975)
Mutiges Bekennen und Widerstehen in schwerer Zeit
Vor 130 Jahren, am 11. Juni 1874, wurde die Zwölf-Apostel-Kirche eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben. Die Kirchengemeinde Zwölf Apostel ist älter: Sie wurde 1863 errichtet.
Anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Gemeinde erschien 1988 die von Pfarrer Peter Klemm herausgegebene Festschrift "Wahrnehmungen", die vornehmlich dem Geschehen an Zwölf Apostel in der Zeit des Nationalsozialismus nachgeht. "Wahrnehmungen" können zu hoffentlich aufschlussreichen "Annäherungen" führen, aus denen Konsequenzen erwachsen.
Die Erforschung des Kirchenkampfes ist in den letzten Jahren so weit fortgeschritten, dass sie selbst Gegenstand der Forschung geworden ist. Es ist in diesem Rahmen unmöglich, die Geschichte des Kirchenkampfes bis 1945 genauer zu verfolgen. Dies soll jedoch im Rahmen unserer Festwoche im Juni geschehen, um einer breiteren Öffentlichkeit solche "Annäherungen" zu ermöglichen, insbesondere an Pfarrer Adolf Kurtz (16.8.1891 – 25.9.1975): Geboren wurde er in der Oranienburger Vorstadt; Stationen auf seinem Weg waren das Friedrichsgymnasium, die Berliner Universität und die Hilfspredigerzeit, bevor er 1922 nach Zwölf Apostel berufen wurde und hier bis 1948 Pfarrer war.
Bekennende Kirche
Schon vor 1933 ist Adolf Kurtz durch seine sozialen Bemühungen hervorgetreten. Im Berlin der Inflationszeit begründete er Notküchen. Von 1933 an aktiv in der Bekennenden Kirche, war er Verhaftungen und Hausdurchsuchungen ausgesetzt. Er wurde Leiter der "Aktion und Organisation der Berliner Bekennenden Kirche". Kurtz hatte eine Hilfsstelle für sogenannte "Nichtarier" im Pfarrhaus eingerichtet (Vorläufer "Büro Grüber") und war maßgeblich an der Errichtung einer Schule für "nichtarische" Kinder beteiligt (Oranienburger Straße). Von 1935 an hielt er ständig Kontakt mit Widerstandsgruppen und mit ausländischen kirchlichen Persönlichkeiten aus der Ökumene. Während der Olympiade 1936 organisierte er Bekenntnisversammlungen mit Rednern aus dem Ausland.
Er war auch an der Denkschrift der Vorläufigen Kirchenleitung der Bekennenden Kirche beteiligt, mit der bei Hitler gegen Rechtsbrüche, Misshandlungen in den Konzentrationslagern und die Judenverfolgung protestiert wurde. Als Heinrich Grüber und andere ins Konzentrationslager eingeliefert wurden, setzte Kurtz die Arbeit des "Büros Grüber" fort und hat vielen Menschen durch die ermöglichte Auswanderung das Leben gerettet. Darüber hinaus galt seine Tatkraft der Pflege der ökumenischen Beziehungen der Bekennenden Kirche.
Im Dienst der Versöhnung
Nach dem Krieg vertiefte Kurtz seine Verbindung zur englischen Kirche. Bereits 1939 hatte er bei einem Englandbesuch für die vielen deutschen Flüchtlinge in Oxford eine evangelische Gemeinde ins Leben gerufen. Eine Einladung der englischen Militärregierung 1947, die deutschen Kriegsgefangenen in England zu besuchen, bewirkte 1948 seine Übersiedlung nach Oxford als Pfarrer der deutschen Gemeinde, von der aus Tochtergemeinden gegründet wurden, eine davon in Coventry. So war Kurtz an dem Versöhnungswerk von Coventry seit 1950 bis zu seiner Emeritierung 1962 beteiligt.
Adolf Kurtz blieb in England und starb im 85. Lebensjahr am 25. September 1975 in Wembley Park, seinem Alterssitz seit 1962. Begraben ist er auf dem Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof in der Kolonnenstraße.
Ein Berliner Pfarrer, zum Domherrn des Stiftes Brandenburg/Havel ernannt, in der Zeit des Nationalsozialismus mit schweren und oft genug lebensgefährlichen Entscheidungen, ein Leben im Dienst der Verfolgten und Entrechteten und schließlich im Dienst der Völkerversöhnung – dafür steht der Name Adolf Kurtz, den unsere Kirche nicht vergessen sollte.
Adolf Kurtz war verheiratet mit Eva, geb. Borchardt, Tochter des Professors Dr. Moritz Borchardt, eines Chirurgen jüdischen Glaubens. Kundige wissen, was das in der NS-Zeit bedeutete. Mit 93 Jahren ist sie im Juni 2001 gestorben. Ihre Urne haben wir an der Seite ihres Mannes bestattet.
Kirche und Nationalsozialismus
Gedenkveranstaltungen haben ihren Sinn darin, dass Menschen sich an etwas erinnern lassen. Erinnern bedeutet im Wortsinn, etwas Vergangenes in sich hinein nehmen, von außen nach innen holen.
In uns entsteht Erkenntnis, wenn wir das Erinnerte hin- und herwenden, in uns bewegen und bearbeiten. Diese Erinnerungsarbeit gehört zum Menschsein, so unangenehm, so beschämend es für den Einzelnen und jede Gemeinschaft zunächst auch sein mag. Unangenehm ist es, wenn die Erinnerung eine Korrektur festgefügter und liebgewordener Vorstellungen nötig macht.
Das Wissen über die Rolle der Kirche während der Zeit des Nationalsozialismus ist bei vielen Menschen, auch bei sehr aktiven Gemeindegliedern, außerordentlich gering. Mehr als der Ausdruck "Bekennende Kirche" ist oft nicht bekannt. Nicht selten verbindet sich dies mit einer diffusen Vorstellung, dass "die evangelische Kirche" im Widerstand zum Hitler-Regime stand – gar mit "den Männern des 20. Juli" der Widerstand gegen Hitler war. Vor diesem Hintergrund wird dann das Erstaunen, ja Erschrecken darüber desto größer, wie sich die evangelische Kirche in ihren vielen Facetten 1933 und in den Folgejahren wirklich verhalten hat und wie begrenzt selbst das Widerstehen der radikalen Teile der Bekennenden Kirche war bzw. sein musste. Beschämend ist die Entdeckung, dass – beispielsweise – kirchlicher Widerstand gegen Hitlers grausame Diktatur die Sache nur sehr weniger Christen gewesen ist. Das genaue Gedenken hat aber nicht nur Unangenehmes oder Beschämendes. Es hat auch eine große Hoffnung in sich. Erinnerung hat erlösende Kraft. Sie vermag vom Wege des Todes auf den Weg des Lebens zu helfen.
Das Vergessen und Verdrängen tötet die Opfer noch einmal. Das Erinnern setzt Kräfte frei, Irrwege zu begreifen und Schuld zu erkennen, die ohne solche Erkenntnis als unerkannte Schuld ihr heimliches Unwesen treibt und Böses zwanghaft immer wiederholt. Nur erkannte Schuld kann bekannt – und vergeben – werden. Genaues Erinnern an Versagen und Unglauben der Kirche auf dem Weg ins Hitlerreich und während jener Zeit ist nötig und notwendig, zugleich aber auch dankbare Erinnerung an die treuen Zeugen der Barmherzigkeit Jesu Christi während des Dritten Reiches – dafür steht Adolf Kurtz.
Bleibende Verpflichtung
Diese Erinnerung gilt nicht nur für jeden Einzelnen, nicht für jede einzelne Generation in Kirche und Gesellschaft. In der Kraft der Erinnerung werden die Generationen zusammengebracht zu der einen Kirche mit ihrem Ungehorsam und ihrer Glaubenstreue. Die Erinnerung macht es möglich, die Schuld einer vergangenen Generation zu erkennen, aber auch die Treue einer vergangenen Generation, um selbst treuer zu werden. Die damalige kirchliche Situation ist heute eine unbekannte, fremde Welt ebenso wie Verlauf und Begrenzung des Kirchenkampfes – ein Geschichtsbewusstsein ist kaum vorhanden.
Andererseits ermöglicht das Nachvollziehen der Erfahrungen von Christen in der NS-Zeit heute einen Lernprozess wie an anderen Fragen selten möglich, da wenige sich der Betroffenheit über die Vorgänge im Dritten Reich entziehen und die Frage nach der politischen Verantwortung von Kirche unausweichlich und die Frage brennend wird: Wie können wir verhindern, dass wir wieder in diesen Ausmaß schuldig werden? Wie können wir verhindern, dass unsere Kinder und Enkel uns ebenso erschrocken fragen: Wie konnte das von Christen zugelassen werden? Sind wir heute in den Gemeinden vor der Vergötzung anderer Mächte oder Herren gefeit? Was heißt heute Bekennen und Verleugnen?
Wir haben die Lektion der Bekennenden Kirche noch nicht gelernt. Es ist noch keineswegs erledigte Aufgabe, die Lehren aus dem Nationalsozialismus, dem Kirchenkampf und nicht zuletzt der Begrenzung des Kampfes der Bekennenden Kirche zu ziehen – im Blick auf die heutigen Herausforderungen, vor denen die Menschen und darin die Christenheit stehen.
Heinz-Hermann Wittrowsky, in "Zwölf Apostel" Nr. 9
Neubeginn und Versöhnung zwischen den Völkern
Unmittelbar nach Kriegsende 1945 begann die Wiederherstellung der stark beschädigten Zwölf-Apostel-Kirche und des Pfarrhauses. Beide hatten bei Bombenangriffen schwer gelitten und waren durch den Einsatz der Familie des Kirchdieners Jaeck und der Pfarrfamilie Kurtz gerettet worden. Das Pfarrhaus hatte dreimal lichterloh gebrannt. Kirchturm, Kirchdach und Sakristei waren noch unter direkten Beschuss geraten, Türen und Fenster zerstört, Heizung und Orgel außer Funktion.
Bottles, Barth und Bach
Zunächst wurde ein Kirchennotdach und ein Schutzdach für das Pfarrhaus errichtet. In die Fensteröffnungen mauerte man leere Gin-Flaschen, die von in der Gemeinde wohnenden Angehörigen der Spirituosenfabrik Gilka gespendet wurden. Diese "Flaschenfenster" sind zum Teil noch erhalten. Durch Berichte englischer und amerikanischer Korrespondenten wurden diese in der ganzen angelsächsischen Welt bekannt. Die Londoner "Picture Post" berichtete von den "Gin-bottle-windows" und dem "Gin-bottle-Pastor".
1947 stellte Adolf Kurtz den Berliner Philharmonikern die Zwölf-Apostel-Kirche für Schallplatten-Aufnahmen der Londoner Electrola-Gesellschaft ("His master’s voice" ) zur Verfügung. Dirigenten waren Wilhelm Furtwängler, Sergiu Celibidache und John Bitter, New York.
Am 18. Juli 1946 hielt Karl Barth in der Zwölf-Apostel-Kirche den Vortrag "Christengemeinde und Bürgergemeinde". Der erste große Gottesdienst, den Martin Niemöller nach seiner Befreiung aus dem KZ in Berlin feierte, fand in Zwölf Apostel statt. Die Zwölf-Apostel-Kirche stellte Bischof Dibelius am 17. November 1946 in einem feierlichen Gottesdienst wieder in Dienst. Hier führte am Karfreitag 1948 Professor Schumann, Leiter der Berliner Singakademie, zum ersten Mal nach Kriegsende wieder die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach auf.
Ökumenisches Zentrum Zwölf Apostel
Schon vor dem Krieg war die Zwölf-Apostel-Gemeinde ein ökumenisches Zentrum geworden. Adolf Kurtz hatte enge Kontakte zu den Pfarrern der schwedischen, dänischen und amerikanischen Gemeinden in Berlin. Während des Krieges war Kurtz die schwierige Aufgabe zugefallen, die Kontakte zur Ökumene aufrecht zu erhalten. Er tat dies über Freunde in der amerikanischen und schwedischen Botschaft. So riss die Verbindung nie ab, und nach Ende des Krieges kamen sie nach Zwölf Apostel: aus England die Bischöfe von Chichester und Sheffield, der Generalsekretär der Methodisten, Laura Livingstone für Wohlfahrtsorganisationen, Mary Booth für die Heilsarmee, der Dekan des St. John’s College in Oxford, aus Frankreich der Präsident des französischen Kirchenbundes, Marc Boegner, aus Dänemark der Bischof von Kopenhagen, aus Schweden Erzbischof Eidem, Upsala, und Pfarrer Birger Forel. Die russisch-orthodoxe Gemeinde feierte zweimal Ostern in Zwölf Apostel, die schwedische Gemeinde wurde hier für drei Jahre bis zur Errichtung ihrer eigenen Notkirche beherbergt, ebenso die ungarisch-reformierte Flüchtlingsgemeinde.
Ruf nach England
Auch aus Enttäuschung darüber, das Bischof Dibelius beim Wiederaufbau der Kirche in Berlin-Brandenburg einen restaurativen Kurs steuerte, ging Kurtz Ende des Jahres 1948 als Pfarrer der deutschen Gemeinde nach Oxford. Er war an dem Versöhnungswerk von Coventry seit 1950 maßgeblich beteiligt.
Bereits 1947 wurde Kurtz von der Britischen Militärregierung in Berlin eingeladen, die deutschen Kriegsgefangenenlager in Großbritannien zu besuchen. Während dieser
Besuchsreise stieß er auch bei seinen englischen Freunden immer wieder auf den neuralgischen Punkt "Coventry". Die Zerstörung Coventrys hatte im britischen Bewusstsein eine fast unheilbare Wunde hinterlassen, auch wegen der zynischen und brutalen Bemerkung Hitlers in einer großen Rundfunkrede, er werde nun alle englischen Städte "coventrieren". Damals schon war Kurtz entschlossen, etwas zur Heilung dieser Wunde zu tun.
Seelsorge und Zeichen der Versöhnung
Im Herbst 1948 übernahm Kurtz die im Jahre 1939 auf seine Initiative von seinem Berliner Amtsbruder Pastor Kramm gegründete Flüchtlingsgemeinde in Oxford. Kurtz war bereits 1939 in England, um sich um die vielen Emigranten zu bemühen; auf seinen Rat entstand dann in Oxford die deutsche Gemeinde, die in der Universitätskirche St. Mary the Virgin auch während des Krieges ihre Gottesdienste in deutscher Sprache halten konnte.
Im Frühjahr 1949 erhielt Kurtz eine Einladung des Provost (Propst) von Coventry, in der Unity Chapel der zerstörten Kathedrale einen Gottesdienst zu halten. Provost Howard und Domherr Kurtz beteten zunächst vor dem im Hochaltarraum aus zwei von Feuer angefressenen Balken errichteten Kreuz. Am 14. November 1950 nahm Domherr Kurtz an dem Gedächtnisgottesdienst zum 10. Jahrestag der Zerstörung Coventrys in der Ruine der Kathedrale teil. Er überbrachte "die Grüße aller Kinder Gottes des europäischen Kontinents, besonders aus Deutschland und Berlin".
Anlässlich eines Besuchs in Bonn im Mai 1951 besprach Kurtz mit alten Freunden aus dem Kirchenkampf, insbesondere mit Hermann Ehlers – während des Kirchenkampfs juristischer Berater der Berliner Kirchenleitung und von 1950 bis 1954 Präsident des Deutschen Bundestages – die Angelegenheit "Coventry". Mit ihm und Bundespräsident Theodor Heuss, mit dem Kurtz seit der Zeit des Kirchenkampfes ebenfalls eng verbunden war, wurde verabredet, dem Domkapitel von Coventry ein Fenster für die Unity Chapel der neuen Kathedrale zu stiften. Kurtz überbrachte unmittelbar nach seiner Rückkehr Provost Howard das Fensterangebot, aber erst am Jahresende wurde es der Weltöffentlichkeit mitgeteilt. Das internationale Echo, besonders in den angelsächsischen Ländern, war überraschend groß und freundlich.
Zum Gedenken an Adolf Kurtz (1891 – 1975)
Mutiges Bekennen und Widerstehen in schwerer Zeit
Vor 130 Jahren, am 11. Juni 1874, wurde die Zwölf-Apostel-Kirche eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben. Die Kirchengemeinde Zwölf Apostel ist älter: Sie wurde 1863 errichtet.
Anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Gemeinde erschien 1988 die von Pfarrer Peter Klemm herausgegebene Festschrift "Wahrnehmungen", die vornehmlich dem Geschehen an Zwölf Apostel in der Zeit des Nationalsozialismus nachgeht. "Wahrnehmungen" können zu hoffentlich aufschlussreichen "Annäherungen" führen, aus denen Konsequenzen erwachsen.
Die Erforschung des Kirchenkampfes ist in den letzten Jahren so weit fortgeschritten, dass sie selbst Gegenstand der Forschung geworden ist. Es ist in diesem Rahmen unmöglich, die Geschichte des Kirchenkampfes bis 1945 genauer zu verfolgen. Dies soll jedoch im Rahmen unserer Festwoche im Juni geschehen, um einer breiteren Öffentlichkeit solche "Annäherungen" zu ermöglichen, insbesondere an Pfarrer Adolf Kurtz (16.8.1891 – 25.9.1975): Geboren wurde er in der Oranienburger Vorstadt; Stationen auf seinem Weg waren das Friedrichsgymnasium, die Berliner Universität und die Hilfspredigerzeit, bevor er 1922 nach Zwölf Apostel berufen wurde und hier bis 1948 Pfarrer war.
Bekennende Kirche
Schon vor 1933 ist Adolf Kurtz durch seine sozialen Bemühungen hervorgetreten. Im Berlin der Inflationszeit begründete er Notküchen. Von 1933 an aktiv in der Bekennenden Kirche, war er Verhaftungen und Hausdurchsuchungen ausgesetzt. Er wurde Leiter der "Aktion und Organisation der Berliner Bekennenden Kirche". Kurtz hatte eine Hilfsstelle für sogenannte "Nichtarier" im Pfarrhaus eingerichtet (Vorläufer "Büro Grüber") und war maßgeblich an der Errichtung einer Schule für "nichtarische" Kinder beteiligt (Oranienburger Straße). Von 1935 an hielt er ständig Kontakt mit Widerstandsgruppen und mit ausländischen kirchlichen Persönlichkeiten aus der Ökumene. Während der Olympiade 1936 organisierte er Bekenntnisversammlungen mit Rednern aus dem Ausland.
Er war auch an der Denkschrift der Vorläufigen Kirchenleitung der Bekennenden Kirche beteiligt, mit der bei Hitler gegen Rechtsbrüche, Misshandlungen in den Konzentrationslagern und die Judenverfolgung protestiert wurde. Als Heinrich Grüber und andere ins Konzentrationslager eingeliefert wurden, setzte Kurtz die Arbeit des "Büros Grüber" fort und hat vielen Menschen durch die ermöglichte Auswanderung das Leben gerettet. Darüber hinaus galt seine Tatkraft der Pflege der ökumenischen Beziehungen der Bekennenden Kirche.
Im Dienst der Versöhnung
Nach dem Krieg vertiefte Kurtz seine Verbindung zur englischen Kirche. Bereits 1939 hatte er bei einem Englandbesuch für die vielen deutschen Flüchtlinge in Oxford eine evangelische Gemeinde ins Leben gerufen. Eine Einladung der englischen Militärregierung 1947, die deutschen Kriegsgefangenen in England zu besuchen, bewirkte 1948 seine Übersiedlung nach Oxford als Pfarrer der deutschen Gemeinde, von der aus Tochtergemeinden gegründet wurden, eine davon in Coventry. So war Kurtz an dem Versöhnungswerk von Coventry seit 1950 bis zu seiner Emeritierung 1962 beteiligt.
Adolf Kurtz blieb in England und starb im 85. Lebensjahr am 25. September 1975 in Wembley Park, seinem Alterssitz seit 1962. Begraben ist er auf dem Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof in der Kolonnenstraße.
Ein Berliner Pfarrer, zum Domherrn des Stiftes Brandenburg/Havel ernannt, in der Zeit des Nationalsozialismus mit schweren und oft genug lebensgefährlichen Entscheidungen, ein Leben im Dienst der Verfolgten und Entrechteten und schließlich im Dienst der Völkerversöhnung – dafür steht der Name Adolf Kurtz, den unsere Kirche nicht vergessen sollte.
Adolf Kurtz war verheiratet mit Eva, geb. Borchardt, Tochter des Professors Dr. Moritz Borchardt, eines Chirurgen jüdischen Glaubens. Kundige wissen, was das in der NS-Zeit bedeutete. Mit 93 Jahren ist sie im Juni 2001 gestorben. Ihre Urne haben wir an der Seite ihres Mannes bestattet.
Kirche und Nationalsozialismus
Gedenkveranstaltungen haben ihren Sinn darin, dass Menschen sich an etwas erinnern lassen. Erinnern bedeutet im Wortsinn, etwas Vergangenes in sich hinein nehmen, von außen nach innen holen.
In uns entsteht Erkenntnis, wenn wir das Erinnerte hin- und herwenden, in uns bewegen und bearbeiten. Diese Erinnerungsarbeit gehört zum Menschsein, so unangenehm, so beschämend es für den Einzelnen und jede Gemeinschaft zunächst auch sein mag. Unangenehm ist es, wenn die Erinnerung eine Korrektur festgefügter und liebgewordener Vorstellungen nötig macht.
Das Wissen über die Rolle der Kirche während der Zeit des Nationalsozialismus ist bei vielen Menschen, auch bei sehr aktiven Gemeindegliedern, außerordentlich gering. Mehr als der Ausdruck "Bekennende Kirche" ist oft nicht bekannt. Nicht selten verbindet sich dies mit einer diffusen Vorstellung, dass "die evangelische Kirche" im Widerstand zum Hitler-Regime stand – gar mit "den Männern des 20. Juli" der Widerstand gegen Hitler war. Vor diesem Hintergrund wird dann das Erstaunen, ja Erschrecken darüber desto größer, wie sich die evangelische Kirche in ihren vielen Facetten 1933 und in den Folgejahren wirklich verhalten hat und wie begrenzt selbst das Widerstehen der radikalen Teile der Bekennenden Kirche war bzw. sein musste. Beschämend ist die Entdeckung, dass – beispielsweise – kirchlicher Widerstand gegen Hitlers grausame Diktatur die Sache nur sehr weniger Christen gewesen ist. Das genaue Gedenken hat aber nicht nur Unangenehmes oder Beschämendes. Es hat auch eine große Hoffnung in sich. Erinnerung hat erlösende Kraft. Sie vermag vom Wege des Todes auf den Weg des Lebens zu helfen.
Das Vergessen und Verdrängen tötet die Opfer noch einmal. Das Erinnern setzt Kräfte frei, Irrwege zu begreifen und Schuld zu erkennen, die ohne solche Erkenntnis als unerkannte Schuld ihr heimliches Unwesen treibt und Böses zwanghaft immer wiederholt. Nur erkannte Schuld kann bekannt – und vergeben – werden. Genaues Erinnern an Versagen und Unglauben der Kirche auf dem Weg ins Hitlerreich und während jener Zeit ist nötig und notwendig, zugleich aber auch dankbare Erinnerung an die treuen Zeugen der Barmherzigkeit Jesu Christi während des Dritten Reiches – dafür steht Adolf Kurtz.
Bleibende Verpflichtung
Diese Erinnerung gilt nicht nur für jeden Einzelnen, nicht für jede einzelne Generation in Kirche und Gesellschaft. In der Kraft der Erinnerung werden die Generationen zusammengebracht zu der einen Kirche mit ihrem Ungehorsam und ihrer Glaubenstreue. Die Erinnerung macht es möglich, die Schuld einer vergangenen Generation zu erkennen, aber auch die Treue einer vergangenen Generation, um selbst treuer zu werden. Die damalige kirchliche Situation ist heute eine unbekannte, fremde Welt ebenso wie Verlauf und Begrenzung des Kirchenkampfes – ein Geschichtsbewusstsein ist kaum vorhanden.
Andererseits ermöglicht das Nachvollziehen der Erfahrungen von Christen in der NS-Zeit heute einen Lernprozess wie an anderen Fragen selten möglich, da wenige sich der Betroffenheit über die Vorgänge im Dritten Reich entziehen und die Frage nach der politischen Verantwortung von Kirche unausweichlich und die Frage brennend wird: Wie können wir verhindern, dass wir wieder in diesen Ausmaß schuldig werden? Wie können wir verhindern, dass unsere Kinder und Enkel uns ebenso erschrocken fragen: Wie konnte das von Christen zugelassen werden? Sind wir heute in den Gemeinden vor der Vergötzung anderer Mächte oder Herren gefeit? Was heißt heute Bekennen und Verleugnen?
Wir haben die Lektion der Bekennenden Kirche noch nicht gelernt. Es ist noch keineswegs erledigte Aufgabe, die Lehren aus dem Nationalsozialismus, dem Kirchenkampf und nicht zuletzt der Begrenzung des Kampfes der Bekennenden Kirche zu ziehen – im Blick auf die heutigen Herausforderungen, vor denen die Menschen und darin die Christenheit stehen.
Heinz-Hermann Wittrowsky, in "Zwölf Apostel" Nr. 9
Neubeginn und Versöhnung zwischen den Völkern
Unmittelbar nach Kriegsende 1945 begann die Wiederherstellung der stark beschädigten Zwölf-Apostel-Kirche und des Pfarrhauses. Beide hatten bei Bombenangriffen schwer gelitten und waren durch den Einsatz der Familie des Kirchdieners Jaeck und der Pfarrfamilie Kurtz gerettet worden. Das Pfarrhaus hatte dreimal lichterloh gebrannt. Kirchturm, Kirchdach und Sakristei waren noch unter direkten Beschuss geraten, Türen und Fenster zerstört, Heizung und Orgel außer Funktion.
Bottles, Barth und Bach
Zunächst wurde ein Kirchennotdach und ein Schutzdach für das Pfarrhaus errichtet. In die Fensteröffnungen mauerte man leere Gin-Flaschen, die von in der Gemeinde wohnenden Angehörigen der Spirituosenfabrik Gilka gespendet wurden. Diese "Flaschenfenster" sind zum Teil noch erhalten. Durch Berichte englischer und amerikanischer Korrespondenten wurden diese in der ganzen angelsächsischen Welt bekannt. Die Londoner "Picture Post" berichtete von den "Gin-bottle-windows" und dem "Gin-bottle-Pastor".
1947 stellte Adolf Kurtz den Berliner Philharmonikern die Zwölf-Apostel-Kirche für Schallplatten-Aufnahmen der Londoner Electrola-Gesellschaft ("His master’s voice" ) zur Verfügung. Dirigenten waren Wilhelm Furtwängler, Sergiu Celibidache und John Bitter, New York.
Am 18. Juli 1946 hielt Karl Barth in der Zwölf-Apostel-Kirche den Vortrag "Christengemeinde und Bürgergemeinde". Der erste große Gottesdienst, den Martin Niemöller nach seiner Befreiung aus dem KZ in Berlin feierte, fand in Zwölf Apostel statt. Die Zwölf-Apostel-Kirche stellte Bischof Dibelius am 17. November 1946 in einem feierlichen Gottesdienst wieder in Dienst. Hier führte am Karfreitag 1948 Professor Schumann, Leiter der Berliner Singakademie, zum ersten Mal nach Kriegsende wieder die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach auf.
Ökumenisches Zentrum Zwölf Apostel
Schon vor dem Krieg war die Zwölf-Apostel-Gemeinde ein ökumenisches Zentrum geworden. Adolf Kurtz hatte enge Kontakte zu den Pfarrern der schwedischen, dänischen und amerikanischen Gemeinden in Berlin. Während des Krieges war Kurtz die schwierige Aufgabe zugefallen, die Kontakte zur Ökumene aufrecht zu erhalten. Er tat dies über Freunde in der amerikanischen und schwedischen Botschaft. So riss die Verbindung nie ab, und nach Ende des Krieges kamen sie nach Zwölf Apostel: aus England die Bischöfe von Chichester und Sheffield, der Generalsekretär der Methodisten, Laura Livingstone für Wohlfahrtsorganisationen, Mary Booth für die Heilsarmee, der Dekan des St. John’s College in Oxford, aus Frankreich der Präsident des französischen Kirchenbundes, Marc Boegner, aus Dänemark der Bischof von Kopenhagen, aus Schweden Erzbischof Eidem, Upsala, und Pfarrer Birger Forel. Die russisch-orthodoxe Gemeinde feierte zweimal Ostern in Zwölf Apostel, die schwedische Gemeinde wurde hier für drei Jahre bis zur Errichtung ihrer eigenen Notkirche beherbergt, ebenso die ungarisch-reformierte Flüchtlingsgemeinde.
Zum Gedenken an Adolf Kurtz (1891 – 1975)
Mutiges Bekennen und Widerstehen in schwerer Zeit
Vor 130 Jahren, am 11. Juni 1874, wurde die Zwölf-Apostel-Kirche eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben. Die Kirchengemeinde Zwölf Apostel ist älter: Sie wurde 1863 errichtet.
Anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Gemeinde erschien 1988 die von Pfarrer Peter Klemm herausgegebene Festschrift "Wahrnehmungen", die vornehmlich dem Geschehen an Zwölf Apostel in der Zeit des Nationalsozialismus nachgeht. "Wahrnehmungen" können zu hoffentlich aufschlussreichen "Annäherungen" führen, aus denen Konsequenzen erwachsen.
Die Erforschung des Kirchenkampfes ist in den letzten Jahren so weit fortgeschritten, dass sie selbst Gegenstand der Forschung geworden ist. Es ist in diesem Rahmen unmöglich, die Geschichte des Kirchenkampfes bis 1945 genauer zu verfolgen. Dies soll jedoch im Rahmen unserer Festwoche im Juni geschehen, um einer breiteren Öffentlichkeit solche "Annäherungen" zu ermöglichen, insbesondere an Pfarrer Adolf Kurtz (16.8.1891 – 25.9.1975): Geboren wurde er in der Oranienburger Vorstadt; Stationen auf seinem Weg waren das Friedrichsgymnasium, die Berliner Universität und die Hilfspredigerzeit, bevor er 1922 nach Zwölf Apostel berufen wurde und hier bis 1948 Pfarrer war.
Bekennende Kirche
Schon vor 1933 ist Adolf Kurtz durch seine sozialen Bemühungen hervorgetreten. Im Berlin der Inflationszeit begründete er Notküchen. Von 1933 an aktiv in der Bekennenden Kirche, war er Verhaftungen und Hausdurchsuchungen ausgesetzt. Er wurde Leiter der "Aktion und Organisation der Berliner Bekennenden Kirche". Kurtz hatte eine Hilfsstelle für sogenannte "Nichtarier" im Pfarrhaus eingerichtet (Vorläufer "Büro Grüber") und war maßgeblich an der Errichtung einer Schule für "nichtarische" Kinder beteiligt (Oranienburger Straße). Von 1935 an hielt er ständig Kontakt mit Widerstandsgruppen und mit ausländischen kirchlichen Persönlichkeiten aus der Ökumene. Während der Olympiade 1936 organisierte er Bekenntnisversammlungen mit Rednern aus dem Ausland.
Er war auch an der Denkschrift der Vorläufigen Kirchenleitung der Bekennenden Kirche beteiligt, mit der bei Hitler gegen Rechtsbrüche, Misshandlungen in den Konzentrationslagern und die Judenverfolgung protestiert wurde. Als Heinrich Grüber und andere ins Konzentrationslager eingeliefert wurden, setzte Kurtz die Arbeit des "Büros Grüber" fort und hat vielen Menschen durch die ermöglichte Auswanderung das Leben gerettet. Darüber hinaus galt seine Tatkraft der Pflege der ökumenischen Beziehungen der Bekennenden Kirche.
Im Dienst der Versöhnung
Nach dem Krieg vertiefte Kurtz seine Verbindung zur englischen Kirche. Bereits 1939 hatte er bei einem Englandbesuch für die vielen deutschen Flüchtlinge in Oxford eine evangelische Gemeinde ins Leben gerufen. Eine Einladung der englischen Militärregierung 1947, die deutschen Kriegsgefangenen in England zu besuchen, bewirkte 1948 seine Übersiedlung nach Oxford als Pfarrer der deutschen Gemeinde, von der aus Tochtergemeinden gegründet wurden, eine davon in Coventry. So war Kurtz an dem Versöhnungswerk von Coventry seit 1950 bis zu seiner Emeritierung 1962 beteiligt.
Adolf Kurtz blieb in England und starb im 85. Lebensjahr am 25. September 1975 in Wembley Park, seinem Alterssitz seit 1962. Begraben ist er auf dem Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof in der Kolonnenstraße.
Ein Berliner Pfarrer, zum Domherrn des Stiftes Brandenburg/Havel ernannt, in der Zeit des Nationalsozialismus mit schweren und oft genug lebensgefährlichen Entscheidungen, ein Leben im Dienst der Verfolgten und Entrechteten und schließlich im Dienst der Völkerversöhnung – dafür steht der Name Adolf Kurtz, den unsere Kirche nicht vergessen sollte.
Adolf Kurtz war verheiratet mit Eva, geb. Borchardt, Tochter des Professors Dr. Moritz Borchardt, eines Chirurgen jüdischen Glaubens. Kundige wissen, was das in der NS-Zeit bedeutete. Mit 93 Jahren ist sie im Juni 2001 gestorben. Ihre Urne haben wir an der Seite ihres Mannes bestattet.
Kirche und Nationalsozialismus
Gedenkveranstaltungen haben ihren Sinn darin, dass Menschen sich an etwas erinnern lassen. Erinnern bedeutet im Wortsinn, etwas Vergangenes in sich hinein nehmen, von außen nach innen holen.
In uns entsteht Erkenntnis, wenn wir das Erinnerte hin- und herwenden, in uns bewegen und bearbeiten. Diese Erinnerungsarbeit gehört zum Menschsein, so unangenehm, so beschämend es für den Einzelnen und jede Gemeinschaft zunächst auch sein mag. Unangenehm ist es, wenn die Erinnerung eine Korrektur festgefügter und liebgewordener Vorstellungen nötig macht.
Das Wissen über die Rolle der Kirche während der Zeit des Nationalsozialismus ist bei vielen Menschen, auch bei sehr aktiven Gemeindegliedern, außerordentlich gering. Mehr als der Ausdruck "Bekennende Kirche" ist oft nicht bekannt. Nicht selten verbindet sich dies mit einer diffusen Vorstellung, dass "die evangelische Kirche" im Widerstand zum Hitler-Regime stand – gar mit "den Männern des 20. Juli" der Widerstand gegen Hitler war. Vor diesem Hintergrund wird dann das Erstaunen, ja Erschrecken darüber desto größer, wie sich die evangelische Kirche in ihren vielen Facetten 1933 und in den Folgejahren wirklich verhalten hat und wie begrenzt selbst das Widerstehen der radikalen Teile der Bekennenden Kirche war bzw. sein musste. Beschämend ist die Entdeckung, dass – beispielsweise – kirchlicher Widerstand gegen Hitlers grausame Diktatur die Sache nur sehr weniger Christen gewesen ist. Das genaue Gedenken hat aber nicht nur Unangenehmes oder Beschämendes. Es hat auch eine große Hoffnung in sich. Erinnerung hat erlösende Kraft. Sie vermag vom Wege des Todes auf den Weg des Lebens zu helfen.
Das Vergessen und Verdrängen tötet die Opfer noch einmal. Das Erinnern setzt Kräfte frei, Irrwege zu begreifen und Schuld zu erkennen, die ohne solche Erkenntnis als unerkannte Schuld ihr heimliches Unwesen treibt und Böses zwanghaft immer wiederholt. Nur erkannte Schuld kann bekannt – und vergeben – werden. Genaues Erinnern an Versagen und Unglauben der Kirche auf dem Weg ins Hitlerreich und während jener Zeit ist nötig und notwendig, zugleich aber auch dankbare Erinnerung an die treuen Zeugen der Barmherzigkeit Jesu Christi während des Dritten Reiches – dafür steht Adolf Kurtz.
Bleibende Verpflichtung
Diese Erinnerung gilt nicht nur für jeden Einzelnen, nicht für jede einzelne Generation in Kirche und Gesellschaft. In der Kraft der Erinnerung werden die Generationen zusammengebracht zu der einen Kirche mit ihrem Ungehorsam und ihrer Glaubenstreue. Die Erinnerung macht es möglich, die Schuld einer vergangenen Generation zu erkennen, aber auch die Treue einer vergangenen Generation, um selbst treuer zu werden. Die damalige kirchliche Situation ist heute eine unbekannte, fremde Welt ebenso wie Verlauf und Begrenzung des Kirchenkampfes – ein Geschichtsbewusstsein ist kaum vorhanden.
Andererseits ermöglicht das Nachvollziehen der Erfahrungen von Christen in der NS-Zeit heute einen Lernprozess wie an anderen Fragen selten möglich, da wenige sich der Betroffenheit über die Vorgänge im Dritten Reich entziehen und die Frage nach der politischen Verantwortung von Kirche unausweichlich und die Frage brennend wird: Wie können wir verhindern, dass wir wieder in diesen Ausmaß schuldig werden? Wie können wir verhindern, dass unsere Kinder und Enkel uns ebenso erschrocken fragen: Wie konnte das von Christen zugelassen werden? Sind wir heute in den Gemeinden vor der Vergötzung anderer Mächte oder Herren gefeit? Was heißt heute Bekennen und Verleugnen?
Wir haben die Lektion der Bekennenden Kirche noch nicht gelernt. Es ist noch keineswegs erledigte Aufgabe, die Lehren aus dem Nationalsozialismus, dem Kirchenkampf und nicht zuletzt der Begrenzung des Kampfes der Bekennenden Kirche zu ziehen – im Blick auf die heutigen Herausforderungen, vor denen die Menschen und darin die Christenheit stehen.
Heinz-Hermann Wittrowsky, in "Zwölf Apostel" Nr. 9
Neubeginn und Versöhnung zwischen den Völkern
Unmittelbar nach Kriegsende 1945 begann die Wiederherstellung der stark beschädigten Zwölf-Apostel-Kirche und des Pfarrhauses. Beide hatten bei Bombenangriffen schwer gelitten und waren durch den Einsatz der Familie des Kirchdieners Jaeck und der Pfarrfamilie Kurtz gerettet worden. Das Pfarrhaus hatte dreimal lichterloh gebrannt. Kirchturm, Kirchdach und Sakristei waren noch unter direkten Beschuss geraten, Türen und Fenster zerstört, Heizung und Orgel außer Funktion.
Bottles, Barth und Bach
Zunächst wurde ein Kirchennotdach und ein Schutzdach für das Pfarrhaus errichtet. In die Fensteröffnungen mauerte man leere Gin-Flaschen, die von in der Gemeinde wohnenden Angehörigen der Spirituosenfabrik Gilka gespendet wurden. Diese "Flaschenfenster" sind zum Teil noch erhalten. Durch Berichte englischer und amerikanischer Korrespondenten wurden diese in der ganzen angelsächsischen Welt bekannt. Die Londoner "Picture Post" berichtete von den "Gin-bottle-windows" und dem "Gin-bottle-Pastor".
Zum Gedenken an Adolf Kurtz (1891 – 1975)
Mutiges Bekennen und Widerstehen in schwerer Zeit
Vor 130 Jahren, am 11. Juni 1874, wurde die Zwölf-Apostel-Kirche eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben. Die Kirchengemeinde Zwölf Apostel ist älter: Sie wurde 1863 errichtet.
Anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Gemeinde erschien 1988 die von Pfarrer Peter Klemm herausgegebene Festschrift "Wahrnehmungen", die vornehmlich dem Geschehen an Zwölf Apostel in der Zeit des Nationalsozialismus nachgeht. "Wahrnehmungen" können zu hoffentlich aufschlussreichen "Annäherungen" führen, aus denen Konsequenzen erwachsen.
Die Erforschung des Kirchenkampfes ist in den letzten Jahren so weit fortgeschritten, dass sie selbst Gegenstand der Forschung geworden ist. Es ist in diesem Rahmen unmöglich, die Geschichte des Kirchenkampfes bis 1945 genauer zu verfolgen. Dies soll jedoch im Rahmen unserer Festwoche im Juni geschehen, um einer breiteren Öffentlichkeit solche "Annäherungen" zu ermöglichen, insbesondere an Pfarrer Adolf Kurtz (16.8.1891 – 25.9.1975): Geboren wurde er in der Oranienburger Vorstadt; Stationen auf seinem Weg waren das Friedrichsgymnasium, die Berliner Universität und die Hilfspredigerzeit, bevor er 1922 nach Zwölf Apostel berufen wurde und hier bis 1948 Pfarrer war.
Bekennende Kirche
Schon vor 1933 ist Adolf Kurtz durch seine sozialen Bemühungen hervorgetreten. Im Berlin der Inflationszeit begründete er Notküchen. Von 1933 an aktiv in der Bekennenden Kirche, war er Verhaftungen und Hausdurchsuchungen ausgesetzt. Er wurde Leiter der "Aktion und Organisation der Berliner Bekennenden Kirche". Kurtz hatte eine Hilfsstelle für sogenannte "Nichtarier" im Pfarrhaus eingerichtet (Vorläufer "Büro Grüber") und war maßgeblich an der Errichtung einer Schule für "nichtarische" Kinder beteiligt (Oranienburger Straße). Von 1935 an hielt er ständig Kontakt mit Widerstandsgruppen und mit ausländischen kirchlichen Persönlichkeiten aus der Ökumene. Während der Olympiade 1936 organisierte er Bekenntnisversammlungen mit Rednern aus dem Ausland.
Er war auch an der Denkschrift der Vorläufigen Kirchenleitung der Bekennenden Kirche beteiligt, mit der bei Hitler gegen Rechtsbrüche, Misshandlungen in den Konzentrationslagern und die Judenverfolgung protestiert wurde. Als Heinrich Grüber und andere ins Konzentrationslager eingeliefert wurden, setzte Kurtz die Arbeit des "Büros Grüber" fort und hat vielen Menschen durch die ermöglichte Auswanderung das Leben gerettet. Darüber hinaus galt seine Tatkraft der Pflege der ökumenischen Beziehungen der Bekennenden Kirche.
Im Dienst der Versöhnung
Nach dem Krieg vertiefte Kurtz seine Verbindung zur englischen Kirche. Bereits 1939 hatte er bei einem Englandbesuch für die vielen deutschen Flüchtlinge in Oxford eine evangelische Gemeinde ins Leben gerufen. Eine Einladung der englischen Militärregierung 1947, die deutschen Kriegsgefangenen in England zu besuchen, bewirkte 1948 seine Übersiedlung nach Oxford als Pfarrer der deutschen Gemeinde, von der aus Tochtergemeinden gegründet wurden, eine davon in Coventry. So war Kurtz an dem Versöhnungswerk von Coventry seit 1950 bis zu seiner Emeritierung 1962 beteiligt.
Adolf Kurtz blieb in England und starb im 85. Lebensjahr am 25. September 1975 in Wembley Park, seinem Alterssitz seit 1962. Begraben ist er auf dem Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof in der Kolonnenstraße.
Zum Gedenken an Adolf Kurtz (1891 – 1975)
Mutiges Bekennen und Widerstehen in schwerer Zeit
Vor 130 Jahren, am 11. Juni 1874, wurde die Zwölf-Apostel-Kirche eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben. Die Kirchengemeinde Zwölf Apostel ist älter: Sie wurde 1863 errichtet.
Anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Gemeinde erschien 1988 die von Pfarrer Peter Klemm herausgegebene Festschrift "Wahrnehmungen", die vornehmlich dem Geschehen an Zwölf Apostel in der Zeit des Nationalsozialismus nachgeht. "Wahrnehmungen" können zu hoffentlich aufschlussreichen "Annäherungen" führen, aus denen Konsequenzen erwachsen.
Die Erforschung des Kirchenkampfes ist in den letzten Jahren so weit fortgeschritten, dass sie selbst Gegenstand der Forschung geworden ist. Es ist in diesem Rahmen unmöglich, die Geschichte des Kirchenkampfes bis 1945 genauer zu verfolgen. Dies soll jedoch im Rahmen unserer Festwoche im Juni geschehen, um einer breiteren Öffentlichkeit solche "Annäherungen" zu ermöglichen, insbesondere an Pfarrer Adolf Kurtz (16.8.1891 – 25.9.1975): Geboren wurde er in der Oranienburger Vorstadt; Stationen auf seinem Weg waren das Friedrichsgymnasium, die Berliner Universität und die Hilfspredigerzeit, bevor er 1922 nach Zwölf Apostel berufen wurde und hier bis 1948 Pfarrer war.
Bekennende Kirche
Schon vor 1933 ist Adolf Kurtz durch seine sozialen Bemühungen hervorgetreten. Im Berlin der Inflationszeit begründete er Notküchen. Von 1933 an aktiv in der Bekennenden Kirche, war er Verhaftungen und Hausdurchsuchungen ausgesetzt. Er wurde Leiter der "Aktion und Organisation der Berliner Bekennenden Kirche". Kurtz hatte eine Hilfsstelle für sogenannte "Nichtarier" im Pfarrhaus eingerichtet (Vorläufer "Büro Grüber") und war maßgeblich an der Errichtung einer Schule für "nichtarische" Kinder beteiligt (Oranienburger Straße). Von 1935 an hielt er ständig Kontakt mit Widerstandsgruppen und mit ausländischen kirchlichen Persönlichkeiten aus der Ökumene. Während der Olympiade 1936 organisierte er Bekenntnisversammlungen mit Rednern aus dem Ausland.
Landesarchiv Berlin |
Landesarchiv Berlin |
Diese Aufnahmen vor der Zwölf-Apostel-Kirche entstanden anlässlich der Trauerfeier und Beisetzung des SA-Führers Peter Voss am 6. April 1934. Von Pfarrer Adolf Kurtz ist bezeugt, dass er sich auch von Gestapo und SS nicht beirren ließ, in lauter, offener Fürbitte für die verfolgten Brüder und Schwestern der Bekennenden Kirche einzutreten. Noch in der Karwoche 1942 teilte er beispielsweise das Abendmahl an Christen ohne und mit Judenstern aus.
Er war auch an der Denkschrift der Vorläufigen Kirchenleitung der Bekennenden Kirche beteiligt, mit der bei Hitler gegen Rechtsbrüche, Misshandlungen in den Konzentrationslagern und die Judenverfolgung protestiert wurde. Als Heinrich Grüber und andere ins Konzentrationslager eingeliefert wurden, setzte Kurtz die Arbeit des "Büros Grüber" fort und hat vielen Menschen durch die ermöglichte Auswanderung das Leben gerettet. Darüber hinaus galt seine Tatkraft der Pflege der ökumenischen Beziehungen der Bekennenden Kirche.
Im Dienst der Versöhnung
Nach dem Krieg vertiefte Kurtz seine Verbindung zur englischen Kirche. Bereits 1939 hatte er bei einem Englandbesuch für die vielen deutschen Flüchtlinge in Oxford eine evangelische Gemeinde ins Leben gerufen. Eine Einladung der englischen Militärregierung 1947, die deutschen Kriegsgefangenen in England zu besuchen, bewirkte 1948 seine Übersiedlung nach Oxford als Pfarrer der deutschen Gemeinde, von der aus Tochtergemeinden gegründet wurden, eine davon in Coventry. So war Kurtz an dem Versöhnungswerk von Coventry seit 1950 bis zu seiner Emeritierung 1962 beteiligt.
Adolf Kurtz blieb in England und starb im 85. Lebensjahr am 25. September 1975 in Wembley Park, seinem Alterssitz seit 1962. Begraben ist er auf dem Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof in der Kolonnenstraße.
Ein Berliner Pfarrer, zum Domherrn des Stiftes Brandenburg/Havel ernannt, in der Zeit des Nationalsozialismus mit schweren und oft genug lebensgefährlichen Entscheidungen, ein Leben im Dienst der Verfolgten und Entrechteten und schließlich im Dienst der Völkerversöhnung – dafür steht der Name Adolf Kurtz, den unsere Kirche nicht vergessen sollte.
Adolf Kurtz war verheiratet mit Eva, geb. Borchardt, Tochter des Professors Dr. Moritz Borchardt, eines Chirurgen jüdischen Glaubens. Kundige wissen, was das in der NS-Zeit bedeutete. Mit 93 Jahren ist sie im Juni 2001 gestorben. Ihre Urne haben wir an der Seite ihres Mannes bestattet.
Kirche und Nationalsozialismus
Gedenkveranstaltungen haben ihren Sinn darin, dass Menschen sich an etwas erinnern lassen. Erinnern bedeutet im Wortsinn, etwas Vergangenes in sich hinein nehmen, von außen nach innen holen.
In uns entsteht Erkenntnis, wenn wir das Erinnerte hin- und herwenden, in uns bewegen und bearbeiten. Diese Erinnerungsarbeit gehört zum Menschsein, so unangenehm, so beschämend es für den Einzelnen und jede Gemeinschaft zunächst auch sein mag. Unangenehm ist es, wenn die Erinnerung eine Korrektur festgefügter und liebgewordener Vorstellungen nötig macht.
Das Wissen über die Rolle der Kirche während der Zeit des Nationalsozialismus ist bei vielen Menschen, auch bei sehr aktiven Gemeindegliedern, außerordentlich gering. Mehr als der Ausdruck "Bekennende Kirche" ist oft nicht bekannt. Nicht selten verbindet sich dies mit einer diffusen Vorstellung, dass "die evangelische Kirche" im Widerstand zum Hitler-Regime stand – gar mit "den Männern des 20. Juli" der Widerstand gegen Hitler war. Vor diesem Hintergrund wird dann das Erstaunen, ja Erschrecken darüber desto größer, wie sich die evangelische Kirche in ihren vielen Facetten 1933 und in den Folgejahren wirklich verhalten hat und wie begrenzt selbst das Widerstehen der radikalen Teile der Bekennenden Kirche war bzw. sein musste. Beschämend ist die Entdeckung, dass – beispielsweise – kirchlicher Widerstand gegen Hitlers grausame Diktatur die Sache nur sehr weniger Christen gewesen ist. Das genaue Gedenken hat aber nicht nur Unangenehmes oder Beschämendes. Es hat auch eine große Hoffnung in sich. Erinnerung hat erlösende Kraft. Sie vermag vom Wege des Todes auf den Weg des Lebens zu helfen.
Das Vergessen und Verdrängen tötet die Opfer noch einmal. Das Erinnern setzt Kräfte frei, Irrwege zu begreifen und Schuld zu erkennen, die ohne solche Erkenntnis als unerkannte Schuld ihr heimliches Unwesen treibt und Böses zwanghaft immer wiederholt. Nur erkannte Schuld kann bekannt – und vergeben – werden. Genaues Erinnern an Versagen und Unglauben der Kirche auf dem Weg ins Hitlerreich und während jener Zeit ist nötig und notwendig, zugleich aber auch dankbare Erinnerung an die treuen Zeugen der Barmherzigkeit Jesu Christi während des Dritten Reiches – dafür steht Adolf Kurtz.
Bleibende Verpflichtung
Diese Erinnerung gilt nicht nur für jeden Einzelnen, nicht für jede einzelne Generation in Kirche und Gesellschaft. In der Kraft der Erinnerung werden die Generationen zusammengebracht zu der einen Kirche mit ihrem Ungehorsam und ihrer Glaubenstreue. Die Erinnerung macht es möglich, die Schuld einer vergangenen Generation zu erkennen, aber auch die Treue einer vergangenen Generation, um selbst treuer zu werden. Die damalige kirchliche Situation ist heute eine unbekannte, fremde Welt ebenso wie Verlauf und Begrenzung des Kirchenkampfes – ein Geschichtsbewusstsein ist kaum vorhanden.
Andererseits ermöglicht das Nachvollziehen der Erfahrungen von Christen in der NS-Zeit heute einen Lernprozess wie an anderen Fragen selten möglich, da wenige sich der Betroffenheit über die Vorgänge im Dritten Reich entziehen und die Frage nach der politischen Verantwortung von Kirche unausweichlich und die Frage brennend wird: Wie können wir verhindern, dass wir wieder in diesen Ausmaß schuldig werden? Wie können wir verhindern, dass unsere Kinder und Enkel uns ebenso erschrocken fragen: Wie konnte das von Christen zugelassen werden? Sind wir heute in den Gemeinden vor der Vergötzung anderer Mächte oder Herren gefeit? Was heißt heute Bekennen und Verleugnen?
Wir haben die Lektion der Bekennenden Kirche noch nicht gelernt. Es ist noch keineswegs erledigte Aufgabe, die Lehren aus dem Nationalsozialismus, dem Kirchenkampf und nicht zuletzt der Begrenzung des Kampfes der Bekennenden Kirche zu ziehen – im Blick auf die heutigen Herausforderungen, vor denen die Menschen und darin die Christenheit stehen.
Heinz-Hermann Wittrowsky, in "Zwölf Apostel" Nr. 9
Neubeginn und Versöhnung zwischen den Völkern
Unmittelbar nach Kriegsende 1945 begann die Wiederherstellung der stark beschädigten Zwölf-Apostel-Kirche und des Pfarrhauses. Beide hatten bei Bombenangriffen schwer gelitten und waren durch den Einsatz der Familie des Kirchdieners Jaeck und der Pfarrfamilie Kurtz gerettet worden. Das Pfarrhaus hatte dreimal lichterloh gebrannt. Kirchturm, Kirchdach und Sakristei waren noch unter direkten Beschuss geraten, Türen und Fenster zerstört, Heizung und Orgel außer Funktion.
Bottles, Barth und Bach
Zunächst wurde ein Kirchennotdach und ein Schutzdach für das Pfarrhaus errichtet. In die Fensteröffnungen mauerte man leere Gin-Flaschen, die von in der Gemeinde wohnenden Angehörigen der Spirituosenfabrik Gilka gespendet wurden. Diese "Flaschenfenster" sind zum Teil noch erhalten. Durch Berichte englischer und amerikanischer Korrespondenten wurden diese in der ganzen angelsächsischen Welt bekannt. Die Londoner "Picture Post" berichtete von den "Gin-bottle-windows" und dem "Gin-bottle-Pastor".
1947 stellte Adolf Kurtz den Berliner Philharmonikern die Zwölf-Apostel-Kirche für Schallplatten-Aufnahmen der Londoner Electrola-Gesellschaft ("His master’s voice" ) zur Verfügung. Dirigenten waren Wilhelm Furtwängler, Sergiu Celibidache und John Bitter, New York.
Am 18. Juli 1946 hielt Karl Barth in der Zwölf-Apostel-Kirche den Vortrag "Christengemeinde und Bürgergemeinde". Der erste große Gottesdienst, den Martin Niemöller nach seiner Befreiung aus dem KZ in Berlin feierte, fand in Zwölf Apostel statt. Die Zwölf-Apostel-Kirche stellte Bischof Dibelius am 17. November 1946 in einem feierlichen Gottesdienst wieder in Dienst. Hier führte am Karfreitag 1948 Professor Schumann, Leiter der Berliner Singakademie, zum ersten Mal nach Kriegsende wieder die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach auf.
Ökumenisches Zentrum Zwölf Apostel
Schon vor dem Krieg war die Zwölf-Apostel-Gemeinde ein ökumenisches Zentrum geworden. Adolf Kurtz hatte enge Kontakte zu den Pfarrern der schwedischen, dänischen und amerikanischen Gemeinden in Berlin. Während des Krieges war Kurtz die schwierige Aufgabe zugefallen, die Kontakte zur Ökumene aufrecht zu erhalten. Er tat dies über Freunde in der amerikanischen und schwedischen Botschaft. So riss die Verbindung nie ab, und nach Ende des Krieges kamen sie nach Zwölf Apostel: aus England die Bischöfe von Chichester und Sheffield, der Generalsekretär der Methodisten, Laura Livingstone für Wohlfahrtsorganisationen, Mary Booth für die Heilsarmee, der Dekan des St. John’s College in Oxford, aus Frankreich der Präsident des französischen Kirchenbundes, Marc Boegner, aus Dänemark der Bischof von Kopenhagen, aus Schweden Erzbischof Eidem, Upsala, und Pfarrer Birger Forel. Die russisch-orthodoxe Gemeinde feierte zweimal Ostern in Zwölf Apostel, die schwedische Gemeinde wurde hier für drei Jahre bis zur Errichtung ihrer eigenen Notkirche beherbergt, ebenso die ungarisch-reformierte Flüchtlingsgemeinde.
Ruf nach England
Auch aus Enttäuschung darüber, das Bischof Dibelius beim Wiederaufbau der Kirche in Berlin-Brandenburg einen restaurativen Kurs steuerte, ging Kurtz Ende des Jahres 1948 als Pfarrer der deutschen Gemeinde nach Oxford. Er war an dem Versöhnungswerk von Coventry seit 1950 maßgeblich beteiligt.
Bereits 1947 wurde Kurtz von der Britischen Militärregierung in Berlin eingeladen, die deutschen Kriegsgefangenenlager in Großbritannien zu besuchen. Während dieser
Besuchsreise stieß er auch bei seinen englischen Freunden immer wieder auf den neuralgischen Punkt "Coventry". Die Zerstörung Coventrys hatte im britischen Bewusstsein eine fast unheilbare Wunde hinterlassen, auch wegen der zynischen und brutalen Bemerkung Hitlers in einer großen Rundfunkrede, er werde nun alle englischen Städte "coventrieren". Damals schon war Kurtz entschlossen, etwas zur Heilung dieser Wunde zu tun.
Seelsorge und Zeichen der Versöhnung
Im Herbst 1948 übernahm Kurtz die im Jahre 1939 auf seine Initiative von seinem Berliner Amtsbruder Pastor Kramm gegründete Flüchtlingsgemeinde in Oxford. Kurtz war bereits 1939 in England, um sich um die vielen Emigranten zu bemühen; auf seinen Rat entstand dann in Oxford die deutsche Gemeinde, die in der Universitätskirche St. Mary the Virgin auch während des Krieges ihre Gottesdienste in deutscher Sprache halten konnte.
Im Frühjahr 1949 erhielt Kurtz eine Einladung des Provost (Propst) von Coventry, in der Unity Chapel der zerstörten Kathedrale einen Gottesdienst zu halten. Provost Howard und Domherr Kurtz beteten zunächst vor dem im Hochaltarraum aus zwei von Feuer angefressenen Balken errichteten Kreuz. Am 14. November 1950 nahm Domherr Kurtz an dem Gedächtnisgottesdienst zum 10. Jahrestag der Zerstörung Coventrys in der Ruine der Kathedrale teil. Er überbrachte "die Grüße aller Kinder Gottes des europäischen Kontinents, besonders aus Deutschland und Berlin".
Anlässlich eines Besuchs in Bonn im Mai 1951 besprach Kurtz mit alten Freunden aus dem Kirchenkampf, insbesondere mit Hermann Ehlers – während des Kirchenkampfs juristischer Berater der Berliner Kirchenleitung und von 1950 bis 1954 Präsident des Deutschen Bundestages – die Angelegenheit "Coventry". Mit ihm und Bundespräsident Theodor Heuss, mit dem Kurtz seit der Zeit des Kirchenkampfes ebenfalls eng verbunden war, wurde verabredet, dem Domkapitel von Coventry ein Fenster für die Unity Chapel der neuen Kathedrale zu stiften. Kurtz überbrachte unmittelbar nach seiner Rückkehr Provost Howard das Fensterangebot, aber erst am Jahresende wurde es der Weltöffentlichkeit mitgeteilt. Das internationale Echo, besonders in den angelsächsischen Ländern, war überraschend groß und freundlich.
Am 31. Januar 1954 fand ein Fest- und Fürbittgottesdienst zum 70. Geburtstag des deutschen Bundespräsidenten in der Kathedrale statt. Kurtz hielt die Festpredigt. An der feierlichen Grundsteinlegung für die neue Kathedrale am 23. März 1955, vollzogen von Königin Elisabeth II., nahmen Kurtz und Vertreter der Spender aus Deutschland teil.
Theodor Heuss überreichte anlässlich seines Staatsbesuchs in England dem Provost von Coventry am 21. Oktober 1958 die Spende für die Fenster der neuen Kathedrale. Am 31. Januar 1959 fand unter dem Leitwort "Einheit in Christus" zur Feier des 75. Geburtstags des Bundespräsidenten ein zweisprachiger Festgottesdienst in der Chapel of the Cross in der neuen Kathedrale statt. Die Predigten hielten der Propst und Domherr Kurtz.
Ehrung
Als der deutsche Botschafter in London, von Herwarth, Adolf Kurtz 1960 im Auftrag des Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse überreichte, geschah dies für die Verdienste im Kirchenkampf, für die "Nichtarierhilfe", für die Aufbauarbeit in England und für das Versöhnungswerk in Coventry. "Sie haben nicht nur geredet, Sie haben auch etwas getan", begann der Botschafter seine Ansprache. "Ihnen ist es zu danken, dass das Versöhnungswerk zwischen der englischen und der deutschen Nation Wirklichkeit wurde" – ein historisches Wort.
Heinz-Hermann Wittrowsky, in "Zwölf Apostel" Nr. 10